16.04.2024 - 16:00

Kunstwerke von Schüler:innen im kärnten.museum

Nassholz bitte warten! Eine Überweisung in die Geriatrie.

20. September 2016

Wenn ich als Restauratorin von meinem Fach als einem „Teil der Konservierungswissenschaften“ spreche, ernte ich oft fragende Gesichter, gerunzelte Stirnen und hochgezogene Augenbrauen. Restaurierung eine Wissenschaft? Ja, das ist sie und noch dazu eine sehr vielfältige. Konservierungswissenschaft ist der übergeordnete Begriff für eine Reihe an im Laufe der letzten Jahrzehnte in den Stand der Wissenschaft emporgehobenen Forschungsdisziplinen, die sich mit dem Erhalt von Kulturgut jedweder Art beschäftigen. Wo die Restaurierung vor 50 Jahren noch als reines Handwerk galt, ist sie heute untrennbar mit den beweisführenden und untersuchenden Methoden der Natur- und Geisteswissenschaften verquickt.

RestauratorInnen werden die Fachkräfte im Allgemeinen genannt, oder auch KonservatorInnen. Die verschiedenen Fachbereiche werden dabei weniger nach einer Spezialisierung auf Epochen unterteilt, sondern vielmehr nach den Objektgattungen und Werkstoffen, die es zu behandeln gilt. Gemälde, Architekturmalerei, Metall, Stein, Textil, Holz, moderne Kunststoffe und so weiter und so fort - sie alle unterscheiden sich maßgeblich in Funktion, Material- und Alterungseigenschaften und benötigen daher genau abgestimmte Behandlungen, denen spezialisiertes Knowhow vorausgesetzt ist. Ähnlich vielleicht wie in der Medizin, die aus demselben Anlass in Orthopädie, Dermatologie oder Kardiologie unterteilt wird.

Die Bodenfundkonservierung ist dabei sowas wie die Geriatrie unter den Konservierungswissenschaften. Sie befasst sich mit allen Materialien rundum, kann aber aufgrund des archäologischen Alters der Objekte nicht zu den üblichen Maßnahmen greifen. Patienten dieser Gruppe sind vom fortgeschrittenen Abbau ihrer Substanz, Mechanismen und Belastbarkeit geprägt, weshalb Standardbehandlungen oft nicht so gut anschlagen und eine ganz besondere Vorsicht und Aufmerksamkeit vonnöten ist.

Archäologische Funde werden auch in den seltensten Fällen restauriert, sondern ausschließlich konserviert. Wo da der Unterschied ist? Nun, bei einem barocken Gemälde beispielsweise werden Fehlstellen in der Malschicht gefestigt, gekittet und je nach Situation auch schon mal so retuschiert, dass sie nicht mehr zu sehen sind. Eine Restaurierung also, bei der man unter anderem die ursprüngliche Ästhetik des Objektes wiederherstellt. Bei Bodenfunden spielt Ästhetik eine untergeordnete Rolle. Man möchte hier in erster Linie den archäologischen Befund und die Originalsubstanz bewahren und geht dabei so zurückhaltend wie möglich vor, um durch das eingebrachte Fremdmaterial spätere Analysen nicht zu verfälschen. Man konserviert den Status quo.

Klassische und nicht unproblematische Kandidaten für die Geriatrie sind unser Pfähle aus dem Attersee.  Archäologisches Nassholz - an sich schon eine Besonderheit, weil es die Zeit bis heute überdauert hat. Holz wird ja normalerweise rasch abgebaut, und ist bei Ausgrabungen in wechselfeuchten und gut durchlüfteten Böden kaum bis niemals vorzufinden. In wassergesättigten Umgebungen aber, wie Seen, Meeren oder Mooren, dort wird den Mikroorganismen ihre Zersetzungsarbeit durch Sauerstoffmangel erschwert und das Holz bleibt erhalten.

Gut geht es ihm aber nicht, diesem archäologischen Nassholz, wenn es geborgen wird. Auf die sich plötzlich ändernden Umgebungsbedingungen reagiert es wesentlich empfindlicher als frisches Material. Durch den Kontakt mit Sonnenlicht und Sauerstoff setzen Abbaumechanismen rasch wieder ein und wenn das Holz unkontrolliert einfach austrocknet, schrumpft es auf einen Bruchteil seines ursprünglichen Volumens zusammen und ist meist vollends zerstört.

Um dies zu verhindern, bleibt derzeit nichts anderes übrig, als dem Holz das Wasser ganz vorsichtig kontrolliert zu entziehen und ein Festigungsmittel an seiner statt als strukturelle Stütze einzubringen. Das Problem dabei: ein solches Mittel zu finden, das wasserlöslich, chemisch inert (= reagiern nicht oder nur wenig mit anderen Stoffen), nicht toxisch, nicht flüchtig, wenig hygroskopisch (= bindet wenig Feuchtigkeit aus der Umgebung), ausreichend fest und zugleich möglichst leicht, optisch zum Holz neutral und alterungsstabil ist. Fügt man jetzt auch noch das oberste konservatorische Gebot der unbedingten Reversibilität (= die Anforderung, das man den Eingriff wieder rückgängig machen kann) hinzu und rundet das Ganze mit der vorsichtigen Frage nach Finanzierbarkeit ab, scheint der Tatbestand des unmöglich Durchführbaren gegeben.

Dennoch, in den letzten Jahrzehnten hat man Methoden entwickelt, die vielleicht nicht alle, aber zumindest viele dieser Anforderungen erfüllen und mit denen schon zahlreiche, beeindruckende Konservierungsprojekte gelungen sind, deren Resultate als Dauerbrenner in weltbekannten Museen stehen und täglich zahlreiche Besucher faszinieren.

Zugehöriges Projekt


Forschungen in den Seeufersiedlungen in Attersee und...

Susanne Heimel betreut seit Ende 2014 als freiberufliche Restauratorin des Oberösterreichischen Landesmuseums das Projekt Zeitensprung.

Eine berühmte Patientin der geriatrischen Abteilung am Weg zur Untersuchung. (Bild: Susanne Heiml)
Eine berühmte Patientin der geriatrischen Abteilung am Weg zur Untersuchung. (Bild: Susanne Heiml)
Klassisch restauriert – die fehlerhafte Stelle an einem vergoldeten Messingkreuz wurde optisch vollständig geschlossen. (Bild: Susanne Heiml)
Klassisch restauriert – die fehlerhafte Stelle an einem vergoldeten Messingkreuz wurde optisch vollständig geschlossen. (Bild: Susanne Heiml)
Klassisch konserviert – an diesem römischen Eisenobjekt wurde sogar die Kruste aus Korrosionsprodukten mitgefestigt, weil sich Abdrücke von Textilien darauf befanden. (Bild: Susanne Heiml)
Klassisch konserviert – an diesem römischen Eisenobjekt wurde sogar die Kruste aus Korrosionsprodukten mitgefestigt, weil sich Abdrücke von Textilien darauf befanden. (Bild: Susanne Heiml)
Klassisch nicht konserviert – eine Pfahlprobe im Querschnitt vor und nach dem bloßen Austrocknen ohne Festigung. (Bild: Susanne Heiml)
Klassisch nicht konserviert – eine Pfahlprobe im Querschnitt vor und nach dem bloßen Austrocknen ohne Festigung. (Bild: Susanne Heiml)
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Das Kuratorium Pfahlbauten wurde im Jahr 2012 von Bund und Ländern ins Leben gerufen, um den österreichischen Teil des internationalen UNESCO-Welterbes „Prehistoric Pile Dwellings around the Alps“ stellvertretend für die Republik Österreich zu betreuen.

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