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Das Welterbefenster Keutschach – Ein Blick in die Ernährung vor 6000 Jahren am Keutschacher See

7. August 2023

Vor 6000 Jahren ragte eine kleine Insel aus dem Keutschacher See, auf der eine Gruppe Menschen in Holzhäusern lebten. Die Müllentsorgung bestand zu dieser Zeit noch aus der Deponierung von Essensresten auf einem Misthaufen hinter oder unter den Häusern, beziehungsweise dem Wurf in den See. Dort blieben die Hinterlassenschaften unter Luftabschluss konserviert gut erhalten. Diese Funde erlauben uns einen Blick auf das Leben und die Ernährung der jungsteinzeitlichen Menschen auf der Insel im See.

Vom Jagen und Sammeln zum Ackerbau und zur Viehzucht - ein schneller Wandel?

02.ackerbau_illustrationckuratorium_pfahlbauten.pngIm 4. Jahrtausend vor Christus gab es einen großen gesellschaftlichen Wandel. Die Menschen stellten ihr Leben von nomadischen Jäger-Sammlergruppen zu einer sesshaften, bäuerlichen Gesellschaft um. Wie genau dieser Wandel vonstatten ging, ist noch nicht vollständig erforscht, doch dürfte er nicht von heute auf morgen geschehen sein. Abgesehen von dem Erlernen neuer Techniken und deren erfolgreichen Anwendung in einer alpinen Landschaft, dürfte auch die Akzeptanz einer neuen, anderen Lebensweise Zeit benötig haben.

Die Funde aus dem Keutschacher See zeigen, dass die Siedlungsbewohner:innen noch viel jagten und sammelten, aber auch bereits von Viehzucht und Ackerbau lebten. Wer mitten im See lebt, hat mit Sicherheit auch Fischfang betrieben. Durch Funde wie Angelhaken, sowie Schwimmer aus Holz und Netzsenker aus Keramik für Fischernetze, ist dies für die Jungsteinzeit belegt. Der Nachweis von Fischverzehr gestaltet sich jedoch ein wenig schwieriger, denn die fragilen Fischreste erhalten sich nur schlecht und können leicht übersehen werden.

Was machen denn die Haselnüsse im See?

mehl_mahlen_.pngWeiters zeigt sich, dass die Bewohner:innen des Keutschacher Sees viele Pflanzen noch in Sammeltätigkeiten erwirtschafteten. Dies erklärt, wie Speisereste von Haselnüssen, Wassernüssen, Brombeeren oder Wildäpfeln unter den Häusern auf der Insel im Seeboden landeten. Neben dem Sammelwesen wurde wohl auch früher Ackerbau betrieben. Es gibt Funde, wie eine Getreideähre, die den Nachweis dafür am Keutschacher See erbringen. Für das Sammeln, die Feldbewirtschaftung und die Viehzucht mussten die Bewohner:innen jedoch die Insel verlassen und auf das Festland übersetzen oder sie lebten als Jäger:innen und Fischer:innen vom intensiven Tauschhandel mit anderen sesshaften Gruppen.

Was uns 6000 Jahre alte Funde verraten

Abfälle, verlorene Gegenstände, Fäkalien und Bauruinen die während der Nutzung der Insel in den Seeboden gelangten, sammelten sich dort als sogenannte Kulturschichten an. Normalerweise zerfallen diese Spuren des alltäglichen Lebens innerhalb weniger Jahre. Nur unter ganz besonderen Bedingungen können sie Jahrhunderte und sehr selten auch Jahrtausende überdauern. Solche Bedingungen herrschen unter Wasser in den Seeböden oder in der durchfeuchteten Umgebung von Mooren. So können selbst die kleinsten Spuren von Nahrungsresten, wie Walderdbeersamen oder sogar Pflanzenpollen in diesen Seesedimenten die Zeiten überdauern. Im Forschungsfeld der Archäobotanik werden die Frucht- und Samenreste aus diesen prähistorischen Kulturschichten unter dem Mikroskop herausgelesen und ihre Art bestimmt. In der Palynologie wird dasselbe auf einem noch kleineren Maßstab unternommen und die Pollen genauer untersucht. Diese wissenschaftlichen Methoden helfen nicht nur, den Speiseplan der urgeschichtlichen Menschen zu erforschen, sondern auch die Veränderungen in der umliegenden Landschaft über Jahrtausende aufzuzeigen.

Wo befindet sich das Welterbefenster?

Du willst 6000 Jahre alte Haselnüsse sehen? Dann schau’ im Keutschacher-Gemeindeamt vorbei und wirf einen Blick durch das Welterbefenster. Hier befinden sich Fundstücke urgeschichtlicher, organischer Nahrungsreste die in der Pfahlbausiedlung und heutigen UNESCO-Welterbestätte im Keutschacher See gefunden wurden. Komm und schau in die Vitrine. Hier siehst du, was die Menschen vor 6000 Jahren gegessen haben. Neben Haselnüssen fanden sich auf der ehemaligen Insel im Keutschacher See auch Nachweise für Wassernüsse und Getreide – es gibt aber noch viel mehr zu entdecken!

Standort:
Gemeindeamt Keutschach am See, Keutschach 1, 9074 Keutschach am See

Öffnungszeiten:
Mo., Di., Do. 07:30-16:00 Uhr
Mi. 07:30-18:00 Uhr
Fr. 07:30-12:00 Uhr

(Stand: Juli 2023; bei einem Besuch kontrollieren Sie bitte nochmals die aktuellen Öffnungszeiten)

Das Welterbefenster ist eine Produktion des Kuratorium Pfahlbauten, dem Nationalen Management des UNESCO-Welterbes „Prähistorische Pfahlbauten um die Alpen“ in Österreich. Es dient zur kostenfreien Vermittlung des UNESCO-Welterbes und wurde vom Bundesministerium für Kunst, Kultur, öffentlicher Dienst und Sport, Abt. 14 Kunst und Kultur des Landes Kärnten und der Kulturdirektion Oberösterreich gefördert. Das Vitrinendesign und der Aufbau stammen von Architekt Alexander Kubik, die Technik installierte Thomas Sandri, Screendesign und Programmierung erfolgte durch das Unternehmen lowfidelity – Heavy Industries. Die Funde stellten die Seebesitzerinnen Dr. Gundula Meßner und Anna Maria Meßner, MA, die Gemeinde Keutschach am See, sowie das Landesmuseum Kärnten zur Verfügung.

Zugehöriges Projekt

Die neue, interaktive Vitrine im Gemeindeamt Keutschach...

Anna Schantl studiert im Master Ur- und Frühgeschichte an der Universität Wien und hat einen Bachelor in Verpackungst

Helena Seidl da Fonseca arbeitet seit 2012 beim Kuratorium Pfahlbauten. Sie ist ausgebildete Forschungstaucherin und Grabungsleiterin im Forschungsprojekt Zeitensprung.

Das interaktive Welterbefenster präsentiert die Pfahlbauten von Keutschach. Bild: lowifdelity - heavy industries
Wassernüsse wurden schon in der Jungsteinzeit verzehrt, heute kennt sie kaum noch jemand. Bild: Kuratorium Pfahlbauten
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Das Kuratorium Pfahlbauten wurde im Jahr 2012 von Bund und Ländern ins Leben gerufen, um den österreichischen Teil des internationalen UNESCO-Welterbes „Prehistoric Pile Dwellings around the Alps“ stellvertretend für die Republik Österreich zu betreuen.

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